* 1976  in Abay / Zentral-Kasachstan als Lillia Hill

 

1989-1992 Praktikum und Mitarbeit im Atelier von Konstantin Otapka. Privatausbildung in Malerei

1993 Umzug nach Radevormwald / Deutschland 

 

2003-2007 Studium Malerei (Prof. Jürgen Störr), Grafik, Kunstgeschichte und Philosophie an der Bergischen Universität Wuppertal

 

 


Die Malerei von Lilli Hill  (Text: Transartis)

 

"Wahre Kunst macht uns nervös. Wenn man das Kunstwerk auf seine bloße Aussage reduziert und diese zu entziffern versucht, zähmt man das Kunstwerk. Die Interpretation macht Kunst umgänglich und bequem."  Susan Sontag

 

Nur bei oberflächlicher Betrachtung könnte die Malerei von Lilli Hill auf eine einzige, klar benennbare Aussage reduziert werden. Es ist die verlockende Macht des Fleischlichen, die den Blick zunächst voll und ganz in ihren Bann zieht, denn lustvoll und sehr freimütig präsentiert die Künstlerin in ihren großformatigen Gemälden den eigenen Körper, der den heutigen Schlankheitsgeboten in keiner Weise entspricht. Doch dient die überbordende Sinnlichkeit des Fleisches in der Malerei Lilli Hills weder allein dazu, für ein weniger rigides Körperbild einzutreten, das durch die massenhafte Verbreitung in Film und Werbung geradewegs zu einer Ästhetisierung der Unterernährung geführt hat. Noch geht es darum, den nackten, fülligen weiblichen Körper zum visuellen Konsum darzubieten, wie es die erotischen Bezüge in der Malerei Lilli Hills zunächst vermuten lassen. Zwar wandelt die Malerin mit ihrer Kunst auf dem schmalen Grat jener pornographisch anmutenden Inszenierungen, die den voyeuristischen Blick eines zumeist männlichen Begehrens befriedigen wollen. Doch ist der sinnenfrohe Umgang mit der eigenen Fleischeslust, wie er in der Malerei Lilli Hills aufgeführt wird, viel zu selbstbestimmt, als dass er das hierarchische Verhältnis der pornographischen Darstellungsweise erfüllen würde. Hier wird der weibliche Körper keineswegs zum verfügbaren Objekt und zur Ware degradiert, sondern überwiegend aus der Untersicht dargestellt, so dass die Selbstinszenierungen Lilli Hills ebenso potent wie selbstverständlich wirken. Nicht ohne einen feinen ironischen Unterton lässt uns die Künstlerin zudem an ihrer selbstbezogenen Beschäftigung mit dem eigenen Körper Anteil haben, etwa wenn sie die schwere Leiblichkeit mit einem Spagat durch einen hauchdünnen Faden konterkariert. Herausfordernd trifft uns ihr Blick, während sie sich lustvoll der Berührung des eigenen Körpers widmet. Es ist eine irritierende Mischung von Selbstbehauptung und einem ernsthaften Stolz, von Entrücktheit und Trotz, mit der sie nicht nur uns anblickt, sondern auch sich selbst: denn bevor sie mit dem Malen beginnt, fertigt Lilli Hill mit Hilfe von Spiegeln photographische Selbstporträts, die sie in ihrer Malerei zu ebenso berückenden wie verstörenden Erkundungen des eigenen Körpers transformiert. Dabei beschreitet sie keineswegs die ausgetretenen Pfade photorealistischer Malerei, wo erkennbar die optischen Darstellungsmodi des Apparates aufgegriffen werden, sondern sie orientiert sich vor allen Dingen an der Kunst der alten Meister, auch wenn Bezüge zu zeitgenössischen Künstlern offensichtlich sind. Meisterhaft ist denn auch ihre Malweise: in dünnen Schichten trägt sie die Farbe lasierend auf, um mit äußerster Sorgfalt auch noch die feinsten Nuancen der vor dunklem Hintergrund zart schimmernden Haut herausarbeiten zu können und den Körper plastisch zu modellieren. Zwar erinnert die ungeschönte Vorführung des eigenen Körpers an die Malerei von Lucian Freud, der die sinnliche Macht des Leiblichen in seinen Gemälden nicht weniger eindringlich vor Augen führt. Doch während Freud die Substantialität des Materials Farbe so auf die Leinwand bringt, dass die stoffliche Beschaffenheit des Körpers gleichsam fassbar wird, sublimiert Lilli Hill dagegen die eigene voluminöse Leiblichkeit durch die Technik der Lasur. Dabei werden Farbwirkungen traditionell solcherart eingesetzt, dass die Stofflichkeit der Dinge lediglich evoziert wird, ohne dass die Materialität der Farbe selbst ins Bewusstsein gelangt. Damit knüpft Lilli Hill an kunsthistorische Traditionen an, die die sinnliche Kraft der Farbe mittels dünner Lasuren und feiner Linien einzugrenzen wussten. So kommt es, dass der nackte Körper der Künstlerin nicht wie bei Freud durch die brutale Offenlegung des Hässlichen überwältigt, sondern trotz seiner fleischlichen Präsenz außerordentlich ästhetisch erscheint. Es ist eine verstörende Schönheit, die von der Malerei Lilli Hills ausgeht und zu einem großen Teil darauf beruht, dass die Künstlerin mit großem Wissen kunsthistorische Vorbilder zitiert, die in unser kollektives Bildgedächtnis eingegangen sind. Betrachtet man die Gemälde genauer, so erscheinen Gestik, Pose und Inszenierung eigentümlich bekannt. Besonders aufschlussreiches Beispiel dafür ist die Selbstdarstellung von 2005 (Ohne Titel), die mit ihren vielfältigen Referenzen an die Inszenierungen von Cindy Sherman erinnert. Der nach oben gerichtete Blick ruft Darstellungen verzückter Heiligenfiguren der Renaissance auf, während die Lichterkette im Haar einerseits wie ein strahlender Nimbus wirkt, diese Bezüge aber andererseits ironisch bricht. Die über die eng geschnürte Korsage herausragende Brust ruft neben sexuellen Konnotationen außerdem Darstellungen der Maria lactans auf, jener Marienbilder, die durch die Hervorhebung der das Jesuskind stillenden Brust als Sinnbild nährender Mutterschaft gilt. Dieser Lesart widerspricht dagegen die entblößte Scham, die durch aufwendig drapierte Tücher und einen kostbaren Pelz mehr ent- als verhüllt wird. Sie erinnert an die Venus im Pelz, die im gleichnamigen Roman von Leopold von Sacher-Masoch ebenso fürsorglich wie machtvoll-überlegen agiert. Lilli Hill scheint in der Verschränkung religiöser und erotischer Bildinhalte das Lustpotential tradierter Darstellungsformen zu erkunden. Trotz der altmeisterlichen Technik wirken ihre Gemälde alles andere als gezähmt und bequem – die eigentümliche Spannung ihrer Malerei scheint geradezu auf diesem Widerspruch zwischen sublimierenden Darstellungsweisen zu beruhen, die Jahrhunderte lang die Sinnlichkeit der Malerei zu bändigen und zu kultivieren wussten, und der lustvollen Überschreitung solcher Moralvorstellungen und Rollenbilder, die damit einhergingen. In ihrer Vielschichtigkeit widersetzen sich die Gemälde Lilli Hills jeglicher einschränkenden Interpretation. Gerade das macht ihre Meisterschaft aus.